8/01/2007

Schlecht oder mieserabel?

Es gibt kein gutes Leben im Schlechten (Theodor W. Adorno)

Oftmals versuchen Menschen, zwischen Patriotismus und Nationalismus eine Grenze zu ziehen. Dem Patrioten ist mit dem Nationalisten gemeinsam, dass sich beide gerne an den Staat ankuscheln möchten, so wie an eine wollige Decke. Nur das sie dabei vergessen, dass der Staat nichts natürliches ist, was man mal so richtig zum Kuscheln lieb haben könnte. Es ist ein künstlich geschaffener Zusammenhang, der letztlich die Aufgabe hat, die Gesellschaft friedlich zu organisieren, damit die wirtschaftliche Triebkraft nicht verloren geht. Auf eine einfache Formel gebracht geht es um Geld und der Staat ist sozusagen die Security des Kapitalismus. Im Kapitalismus werden Menschen zueinander in Konkurrenz gesetzt. Nur in der Konkurrenz kann sich Egoismus durchsetzen, eine Voraussetzung für Gewinnerzielung. Also ist ein positiver Bezug an etwas wie Deutschland oder einen anderen Staat schon mal eine ziemlich verspulte Angelegenheit an sich.

Was Deutschland im Speziellen angeht, wird sich über einen positiven Bezug auf das Land allem Negativen entledigt - sonst könnte es ja auch nicht positiv-kuschelig werden. Dazu gehört die diskriminierende Flüchtlingspolitik unter Rot/Grün als auch unter Rot/Schwarz genauso, wie die barbarische Vergangenheit des Dritten Reiches. Patriot wie Nationalist müssen also Auschwitz leugnen oder es - wie es Schröder gemacht hat - instrumentalisieren. Rot/Grün argumentierte so für den Krieg im Kosovo als auch gegen den Krieg im Irak. Beide Male mit der selben Begründung - man habe aus der Vergangenheit gelernt. Nun kann man die Realität und damit Deutschland nicht nach belieben verwursteln und codieren, wie es einen in den Kram passt - und damit die Geschichte verdrehen oder gar fälschen.

Schon jetzt ist klar, worauf der Text hinaus läuft. Es gibt keine Unterschiede zwischen Patrioten und Nationalisten. Warum versucht es nun aber der eine, sich ganz besonders vom anderen abzugrenzen? Wozu?

Dem Patrioten dämmert es, was wie oben beschrieben mit seiner Liebe zu Deutschland zusammenhängt. Nämlich andere schreiten mit genau der selben Motivlage “Liebe zur Nation” konsequent zur Tat. Somit haben sich zwei Begriffe für ein und die selbe Sache durchgesetzt. Der Patriot möchte verhindern, sich selbst zugestehen zu müssen, eigentlich deutscher Nationalist zu sein. Die begriffliche Grenze funktioniert, um sich die eigene konstruierte Identität nicht zu beschmutzen und auch weiterhin unverkrampft Deutsch sein zu können.


Die Gefahr von Patriotismus liegen dabei durch historische Fakten belegt auf der Hand. Ihm ist ein Potential aus Antisemitismus, Antiamerikanismus und Rassismus eigen. Wirkungsmechanismen, welche sich nicht nur nach Außen abgrenzen (z.B. alles nicht Deutsche außerhalb der Staatsgrenze), sondern auch nach über biologischen Rassismus nach Innen (von allen nicht deutschen Blutes wie MigrantInnen, Jüdinnen und Juden, KommunistInnen, etc.)*.
Wer nun behauptet, Patriotismus führe zu einer sozialen Bindewirkung - also sozialen Frieden, wirtschaftlichen Aufschwung, etc. - liegt derbe daneben. Dass Patriotismus in Deutschland selbst derart harmlos nicht ist, verdeutlichen etwa die Studien des Forschungsprojekts „Deutsche Zustände” (weitere Infos) der Uni Bielefeld. So schreibt die Frankfurter Rundschau am 15.12.06:

„Fazit der Forscher: Die These ein „gesunder patriotischer Nationalstolz“ führe auch zu größerer sozialer Bindewirkung und mehr Offenheit und Toleranz, sei eine „Fehleinschätzung“. Versuche, die darauf abzielen, nationale oder patriotische Einstellungen zu stärken (…) könnten höchst „ambivalente“ oder sogar „riskante“ Folgen haben.“

Dies belegen auch die Ergebnisse der Studie „Vom Rand zur Mitte“ (nachlesen), die die Friedrich Ebert Stiftung in Auftrag gegeben hat. Darin wurden im Mai und Juni 2006 über 5000 Personen nach ihrer Gemütslage befragt. Ein paar Beispiele: „die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ stimmten 36,9 % zu, bei 31,9 % gab es eine Teilzustimmung; auf die Frage nach Überfremdung durch Ausländer stimmten 39,1 % zu, 28,5 % in Teilen, usw. usf. (Studie S.34 ff.).

Versuche, nationale oder patriotische Einstellungen zu fördern, ziehen also höchst riskante Folgen nach sich. Manchmal, wie in Halberstadt, sind dann schon pink gefärbte Haare Anlass für brutalste Übergriffe. Der Verfassungsschutz stellt nicht zufällig einen deutlichen Anstieg rechtsextremer Straftaten und Gewaltbereitschaft fest. Wenn die Gesellschaft also aus irrationalen Selbstzweck in Patrioten als Normalbürger und “Nationalisten” als Extrembürger unterteilt, wird daraus nur die Anschlussfähigkeit zwischen bürgerlicher Mitte und dem rechten Rand deutlich. Eine Kritik an rechten Strukturen muss daher auch immer die Gesellschaft als Ganzes mit ins Visier nehmen, welche rechtsmotivierte Barbaren überhaupt erst hervorbringt.

Sie wissen es nicht, aber sie tun es.
(Karl Marx)

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*) das ist auch der Unterschied zum Nationalismus anderer Staaten, wie dem in Frankreich: die historisch-fatale Innenwirkung hin zu antijüdischen Pogromen oder ähnliches setzten sich dort historisch eben nicht bis zum Holocaust fort.

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