Die Rede von »deutscher Verantwortung« zieht den moralisch sauberen Schlussstrich unter die Verbrechen des Nationalsozialismus, ohne sich selbst beim Wort zu nehmen. Geldzahlungen für viele Opfer der deutschen Vernichtung und ihre Angehörigen wurden bis heute mit allen Mitteln verhindert. Kurz vor Weihnachten nun, hat die hiesige Bundesregierung ein weiteres Mal mit juristischen Schritten versucht, sich rechtskräftiger Ansprüche zu entziehen. Ein passender Anlass, einige Bemerkungen zur postnazistischen Vergangenheitspolitik zu formulieren.
Im Jahr 2009 feiert die Bundesrepublik Deutschland ihren 60. Geburtstag. Ein Erfolgsmodell bürgerlich demokratischen Wandels, flüstert es bereits einige Wochen vor dem Jubiläum resümierend aus den bürgerlich-demokratischen Lautsprechern. In einem souveränen, parlamentarischen Rechtsstaat in der Mitte Europas mit weltmeisterlichen Exportzahlen und internationalem Einfluss, mit stabilen politischen Verhältnissen und relativem Wohlstand, schauen die Deutschen zufrieden auf ihr Werk, das unter anderem aus den Erträgen der Vernichtung geformt und von dieser Last im Laufe der Jahrzehnte gereinigt wurde. Die Erfolgsgeschichte beginnt als Volksgemeinschaft; als Wiederherstellung nationaler Souveränität zur Anzettelung eines zweiten Weltkriegs; mit der Zerschlagung und Ermordung von Oppositionellen; der Internierung, Tötung und/oder Zwangssterilisierung von Sinti, Roma, Homosexuellen und geistig Behinderten; beginnt als Entrechtung und Beraubung, als Demütigung und Vernichtung zuerst der deutschen und dann der europäischen Jüdinnen und Juden. Nachdem die alliierten Armeen diesem Wahnsinn ein militärisches Ende gesetzt hatten, zeigten sich die geschlagenen Vernichtungsgewinnler kooperationsbereit und pragmatisch. Die Volksgenossen wurden eilig zu braven Bürgern, die einander hilfsbereit in die neue Ordnung überführten. So schafften es selbst führende Nazikader in leitende Positionen des demokratischen Rechtsnachfolgers des »Dritten Reiches«. Statt vieler nur ein Beispiel: der junge Staatsanwalt Dietrich Kuhlbrodt berichtet in der Jungle World (45/2008) über seine Zeit in der »Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen« in Ludwigsburg: »Und dann der Gau in der Zentralen Stelle selbst. In der Akte gegen eine Mord-Einheit tauchte Oberstaatsanwalt Schüle auf, unser Dienststellenleiter. 1965 hatte ich mich bei dem Alten Herrn noch zum Dienstantritt gemeldet. Dann war er wegbefördert.« Deutschland schaute nach vorn und nicht zurück und da wurde selbst die juristische Aufarbeitung der Naziverbrechen von einem mutmaßlichen Naziverbrecher dirigiert.
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3/03/2009
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