6/13/2008

Feuilleton: Einführung in die Logik.

Für die NPD und ihre Nadelstecher führen wir unser Nachhilfe-Spezial fort. Im ersten Teil brachten wir Haschi bereits einige Grundregeln der deutschen Rechtschreibung näher und ermutigten ihn zu einem Einführungskurs in Antidiskriminierung. Seine Danksagung an uns folgte in einer Form, die uns und unseren Leser_innen mitleidige Tränen in die Augen trieben. Haschi gab zu, dass ihm die deutsche Sprache nicht so liege. Auch wenn seine aktive Mitarbeit im virtuellen Unterricht durch seine vorzeitige Selbstaufgabe Punktabzüge verdiente und auch sein übereifriger Konterversuch offen legte, dass nicht wirklich überwältigende Fortschritte erzielt werden konnten. Dabei bedienten wir uns einfachen und klar verständlichen Sätzen. Nun bieten wir unsere Arbeitsgemeinschaft Hilfe Zur Selbsthülfe ohne ü mit i erneut an, denn es geht ums Ganze. In der Zwischenzeit wurden nämlich Fragen der NPD Nadelstecher an die Außenwelt gerichteten, die nach Antworten schreien. Dieses Mal geht es um einen "Aufruf zur Unterstützung des Bürgerbündnissese Bunt Statt Braun", über den sich die Pappkameraden ausführlich versuchen lustig zu machen. Wie immer, geht der Schuss nach hinten los. An der Ostfront wären sie dafür vermutlich schon von den eigenen Kameraden erschossen worden und nicht in den Genuss des Kessels um Stalingrad gekommen. In der heutigen Zeit gibt es nicht einmal mehr einen Satz warmer Ohren, trotz dass sie sich dafür wirklich beträchtlich ins Zeug legen.



Nadel: Gehört der Landkreis jetzt dem Gutmenschen-Bündnis, nur weil der Herr Landrat dem Bündnis angehört? (1)
New Kids: Nein. Demokratische Gesellschaften folgen nicht, wie die von der NPD angestrebte nationalsozialitische Volksgemeinschaft, dem Führerprinzip. Demokratische Gesellschaften haben keinen Führer, sondern einen Repräsentanten. Daraus ergibt sich auch eine andere rechtliche Position. Anders als autoritäre Herrscher, ergibt sich für Repräsentanten kein persönlich-materieller Rechtsanspruch auf "das Land", "den Landkreis" oder "die Stadt". Dieses Prinzip setzt sich durch alle demokratischen Organisationsformen hindurch, siehe Vorstände von Aktiengesellschaften, Politiker demokratischer Parteien, dem Leiter der Polizeibehörde oder dem Vorsitzenden des Kleingärtnervereins. Wenn "Bunt Statt Braun" sich vereinnahmend auf den Landkreis bezieht ("mein"), dann verbirgt sich dahinter eine verkappt nationalistische Logik. Eine Kritik an "Bunt Statt Braun" wäre berechtigt. Nur ist nicht jede Kritik nur deswegen Richtig, weil sie kritisiert. Deine Kritik ist und bleibt eine Falsche und damit Schlechte. Kritikwürdig ist der Umstand, dass Standortlogik und Kiezromantik Grundsteine dessen darstellen, was Faschisten in ihrer Extremform bis zum Exzess ausdehnen wollen. Es ist eben der unreflektierter Patriotismus. Ich kann die Berge schön finden, die Bäume aber ein Landkreis ist ebenso wie eine Nation ein künstliches Gebilde, ein Zwangszusammenhang der für Asylbewerber im Landkreis beispielsweise eine Grenze darstellt, ganz sicher sind Landkreise und Nationen aber etwas organisches natürliches, das man lieb haben und in die Arme schließen könnte. Wie bereits in der Dokumentation zur Kampagne "Deutsch mich nicht voll" erläutert wurde, bedeutet das folgendes: "Normalisierung des Verhältnisses zur deutschen Nation bedeutet die Einforderung der Identifikation des Einzelnen mit der Masse. Die Konsequenz ist keine pluralistische Demokratie, sondern der kleinlaute Untergang des Individuums in einem “Volkskörper” in dem stummes Kopfnicken für die Mehrheit zu einer notwendigen Überlebenspraxis heranreift. Die Kritik an deutschen Zuständen und damit an einer schwarz-rot-notgeilen Sport-Popkultur steht also nicht zwingend im Zusammenhang mit der Ablehnung der Verfassung der BRD."




Nadel: Ist es denn nicht vielmehr so, dass gerade Ihr bunten Toleranzbolzen mit Eurem so ausgeprägten Demokratieverständnis die Rechte Andersdenkender in Frage stellt?
New Kids: Nein. Zwar sollte man einen Verein nicht deshalb in Schutz nehmen, weil er sich gegen Rechts erklärt. Wichtig ist, wie die konkrete Umsetzung durch die Vereinsarbeit aussieht. Es gibt zahlreiche Probleme und konstruktive Kritikpunkte, die an einen Verein wie Bunt Statt Braun sogar gerichtet werden müssen. Wir sind in unserem Beitrag "Bürgerlicher Antifaschismus" ausführlich darauf eingegangen. Doch was die Zielsetzung gegen Faschismus und insbesondere die NPD angeht, ist deine Frage ein Zirkelschluss, bei der sich die Logik selbst in den Arsch beißt. Nicht das erste Mal.
Der Kampf gegen Faschismus und seine Organisationsformen ist ein Kampf für Toleranz, Meinungsfreiheit und Gleichheit aller Menschen. Das Recht auf Meinungsfreiheit schließt ja nicht mit ein, dass jeder Depp für jeden noch so kranken Scheiß das Recht hat, Geltung zu beanspruchen. Man kann der Meinung sein, »Hexen« müssten verbrannt oder Juden vergast werden, doch das Recht, diese Meinung populär zu machen, ergibt sich dadurch noch lange nicht. Was wäre das auch für eine Toleranz? Wenn man intollerante Barbaren wie euch Faschisten tolerieren würde, dann würde man damit ja geradezu Intolleranz tolerieren. Das kann nur die NPD wollen, nicht aber die demokratische Gesellschaft. Der Spruch "Faschismus ist eben keine Meinung unter anderen Meinungen, sondern ein Verbrechen" ist eben mehr als eine Floskel.
Dein Hass auf "die besonders Hässlichen und die mit den besonders dummen Gesichtern"(2) unterstreicht die Begründung. Auch wenn dieser Ausspruch nicht strafrechtlich relevant ist, zeigt er doch die Intoleranz auf alle, die dir nicht ins Bild passen.



Nadel: Von „Rechts“ sank die Zahl der Straftaten 2007 gegenüber dem Vorjahr von 76 auf 61. Wohlgemerkt, hierbei handelt sich um Straftaten – die sich überwiegend aus Propagandadelikten und so genannter Volksverhetzung zusammensetzen – und nicht um Gewalttaten.
NKOTHB: Nein. Auch das ist wieder einmal grober Unfug. Das weißt du doch, oder? Erst einmal ist jede Form der Gewalt von Rechts eine Tat zu viel! Zweitens sind Volksverhetzung und Propagandadelikte selbstverständlich eine äußerst prekäre Form der Gewalt. Gewalt muss schließlich nicht immer physischer Natur sein. Mobbing gegenüber Mitarbeitern in einer Firma als auch Diskriminierung und Fremdenhass gelten als anerkannte Formen von Gewalt.
Das die Straftaten 2007 sanken, liegt ja nicht daran, dass Nazis bessere Menschen geworden sind. Die erfolgreiche Arbeit überregionaler antifaschistischer Gruppen hat es euch im Landkreis ungemütlicher gemacht. Viele Personen sind bereits als Nazis enttarnt worden, ein paar weitere werden noch folgen. Die ersten Prozesse gegen euch gingen dabei ja auch positiv aus. Ein paar Verklagte unter euch mussten zwangsläufig etwas kürzer treten, wollten sie ihr Bewährungsticket nicht für den Knast eintauschen. Schon sinken die Gewalttaten. Ihr habt das bisher ganz alleine geschafft, vielleicht folgt ihr ja bald auch noch anderen Beispielen? Wir drücken uns allen die Daumen.



Nadel: Für solcherart Bewusstseinsstörung gibt es durchaus professionelle Hilfe. Ein paar bunte Pillen.
NKOTHB: Wir teilen eure Erfahrungen mit "bunten Pillen" mangels Praxis zwar nicht, aber zur intensiven Einnahme raten wir euch dringlichst! Davon versprechen wir uns eine weitere Absenkung der Straftaten: "Bei regelmäßigem wochenendlichen Konsum „vegetiert“ der Konsument oftmals nur noch vor sich hin. Er ist von Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit und oft auch depressiven Phasen gekennzeichnet." (3) Wie bereits die Ahoi-AG feststellte:
Da wünscht man sich doch in der Legalisierungsdebatte [...] noch eine extra Klausel für Faschisten, die nationalsozialistisch Verwirrten eine Ration täglich auf Rezept gewährt, damit sie bei der positiven Wirkung des "kommunistischen Paradieszustandes" (Anm. d. Verf.: O-Ton Hans Schletz, NPD Osterode) in Zukunft nicht nur einem kurzfristigen Erlebnis hinterherjammern müssen.(4)


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(1) NPD Osterode, Nachricht von Nadelstich vom 12. Juni 2008 ; Fehler im Original.
(2) ebenda.
(3) Wikipedia, "MDMA"; Fehler im Original.
(4) Ahoi AG, "Haschi und die Drogen".